In dem letzten Blogpost ging es darum, dass der Glaube nicht notwendigerweise der Wissenschaft schaden muss. Da der Glaube auf dem Zeugnis beruht und nicht auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen, weiß er, dass diese Erkenntnisse stets so gedeutet werden können, dass sie im Einklang mit dem Glauben sind. Diese Freiheit in der Interpretation von Theorien liegt wie im letzten Blogpost gezeigt tatsächlich vor. Außerdem gehe ich auf diesen Sachverhalt noch tiefer in meinem Buch ein.
In der Diskussion dieses Blogartikels wurde ein valider Kritikpunkt zu diesen Aussagen gebracht, auf den ich jetzt genauer eingehen und den ich ausräumen möchte: Wenn man sagt, dass man die wissenschaftlichen Erkenntnisse immer so deuten kann, dass sie den Aussagen der Bibel nicht widersprechen, und natürlich auch umgekehrt die richtige Auslegung der Bibel stets mit den Aussagen der Wissenschaft im Einklang ist verliert doch die Bibel in gewisser Hinsicht die Vorhersagekraft, da sie stets neu interpretiert werden muss bzw. kann wenn die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht mehr mit ihr übereinstimmen.
Beispielsweise wird in Jesaja 40,22 von dem Erdkreis gesprochen:
"Er ist es, der da thront über dem Kreis der Erde, dass ihre Bewohner wie Heuschrecken erscheinen, der den Himmel ausspannt wie einen Schleier und ihn ausbreitet wie ein Zelt zum Wohnen." - Jesaja 40,22
Das im Hebräischen verwendete Wort bezieht sich eindeutig auf einen Kreis oder eine Scheibe und nicht auf eine Kugel. Dies impliziert, dass die Bibel sagt die Erde sei eine Scheibe und keine Kugel. Heute wissen wir jedoch, dass die Erde in der Tat eine Kugel ist. Entgegen dem was viele glauben ist dieses Wissen auch schon länger vorhanden. In der Tat war diese Tatsache unter Gelehrten bereits ab dem 4. Jahrhundert bekannt und auch das Mittelalter durch eine akzeptierte Tatsache. Auf den ersten Blick scheint es sich also um einen Widerspruch zwischen den Aussagen der Wissenschaft und den Aussagen der Bibel zu handeln. Doch es ist so: Wenn man sich die Schriftstellen der Bibel, die sich mit der Natur und der Erschaffung der Welt befassen genauer anschaut wird deutlich, dass sie vor allem in einer Weise geschrieben sind, die dem Leser verständlich sind. Gott hat die Sprache seines Volkes an die diese Schriften gerichtet sind verwendet und keine wissenschaftlich akkurate Ausdrucksweise. Das bedeutet nicht, dass diese Ausdrucksweise nicht akkurat ist, jedoch entspricht sie nicht der heutigen wissenschaftlichen Ausdrucksweise. Es geht so glaube ich vielmehr darum die Bedeutung dessen wovon gesprochen wird dem Menschen deutlich zu machen und zwar in der Sprache und Weltsicht, die ihm geläufig ist. Und in der damaligen Welt hatten die Menschen nun mal die Ansicht, dass es sich bei der Erde um eine Scheibe handelt. Genauso wenig wie sich aus dem Wort eine Kugelform implizieren lässt, lässt sich allerdings eine Scheibenform explizit herauslesen. Vielmehr dürfte es sich dabei um die zur damaligen Zeit üblichen Begrifflichkeiten gehandelt haben.
Des Weiteren ist es sogar heute noch so, dass solche Begrifflichkeiten verwendet werden auch wenn wir eigentlich wissen, dass sie die Welt nicht korrekt beschreiben. So spricht man auch heute noch häufig vom Erdkreis oder den Enden der Erde, auch wenn aufgrund der nachgewiesenen Kugelform beide Begriffe keinen Sinn ergeben. Das liegt aber oftmals weniger daran, dass derjenige der diese Begrifflichkeiten verwendet die wissenschaftlichen Erkenntnisse leugnet, sondern vielmehr daran, dass er diese Begriffe eher als ein rhetorisches Mittel verwendet mit dem jeder sofort weiß was gemeint ist. Ich glaube dasselbe ist oftmals in der Bibel der Fall. Um das was Gott uns sagen möchte in Worte zu fassen benutzt er unsere Sprache und bedient sich dabei auch unseren Vorstellungen über die Welt, damit wir verstehen können was er uns mitteilen will. In der Stelle in Jesaja möchte Gott uns wie sich auch aus dem Kontext erschließen lässt nicht sagen, dass die Erde eine Scheibe ist, sondern, dass er über der gesamten Erde thront und somit höher ist als alles was hier auf Erden ist.
Unter dieser Deutung, die ja wie ersichtlich werden sollte durchaus sinnvoll ist, lassen sich die meisten Aussagen der Bibel, die den wissenschaftlichen Erkenntnissen scheinbar widersprechen ins richtige Licht rücken. Doch der Kritikpunkt bleibt: Kann man auf diese Weise nicht alles so interpretieren wie man will und mehr noch muss man dann nicht jedes mal wenn neue Erkenntnisse zutage gefördert werden nicht die Aussagen komplett neu interpretieren. Das würde deren Aussagekraft doch erheblich schmälern. Letztlich hätte man damit eine Situation in der alles richtig ist und nur die richtige Interpretation fehlt. Jedoch gewinnt man dadurch nichts weil man dies ja dann nicht verwenden kann um treffende Aussagen zu machen. Das ist das Problem, das in der Wissenschaft vor allem bei Theorien auftritt, die keine oder wenige Aussagen machen, die sich überprüfen lassen. Eine solche Theorie kann sich dann nie als falsch herausstellen. Das aber nicht notwendigerweise weil sie richtig ist, sondern weil sie keinen Raum lässt falsch zu sein. In ihrer Aussagekraft ist eine solche Theorie dann nutzlos.
Doch ist dies in der Bibel auch so? Wie man an der Stelle in Jesaja bereits erkennt geht es hier um Gottes Thronen über der Erde und nicht um eine topologische Beschreibung dieser. Die Form der Erde ist also für die eigentliche Aussage komplett irrelevant. Auch bei der Schöpfung ist es so, dass die Kernaussage ist, dass Gott die Welt geschaffen hat und nicht, wie genau sich dies wissenschaftlich beschreiben lässt. Es ist nämlich auch so, dass sich die Bibel nicht als wissenschaftliche Arbeit begreift. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass die Aussagen der Bibel in der richtigen Deutung den Aussagen der Wissenschaft in keinster Weise widersprechen.
Doch woher bekommt man diese Deutung? Ist es dann nicht so, dass jeder alles deuten kann wie es ihm gerade passt und dies nur am derzeitigen Stand der Wissenschaft angleichen muss um in keine Widersprüche zu gelangen? Und welchen Nutzen hat ein solcher Glaube, der sich die Welt offenbar einfach so gestaltet wie er sie gerne hätte?
Ein solcher Glaube hätte keinen Nutzen. Aber bei dem christlichen Glauben handelt es sich auch nicht um einen solchen Glauben. Dafür wollen wir uns zunächst in der Wissenschaft anschauen, wo wie bereits gesehen auch vielseitige Deutungen möglich sind, wie man hier zu Ergebnissen kommt.
Wissenschaftlicher Konsens
Je nach wissenschaftlichem Gebiet gibt es mehr oder weniger Spielraum die vorliegenden Fakten zu interpretieren. Umso mehr Faktoren in das betrachtete System einfließen umso unüberschaubarer wird der Sachverhalt, was meist auch viele unterschiedliche Deutungen zulässt. So gibt es in vielen wissenschaftlichen Gebieten unterschiedliche Auffassungen darüber wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse korrekt zu deuten sind. Dennoch wird oft von der Wissenschaft gesprochen oder meist nur eine vorherrschende Deutung als die wissenschaftliche Erkenntnis ausgegeben. Wie kommt man zu dieser einheitlichen Auffassung?
In der Regel ist es so, dass die Experten auf dem jeweiligen Gebiet sich zusammensetzen und einen Konsens erreichen. Dieser Konsens spiegelt eine Deutung der Fakten wider, die von einer Mehrheit der Experten auf diesem Gebiet so akzeptiert wird. Natürlich ist dieser wissenschaftliche Konsens nicht die einzige mögliche Deutung und so gibt es auch stets Experten die von diesem Konsens abweichen.
Man sieht dies beispielsweise auch im wissenschaftlichen Umgang mit der gegenwärtigen Pandemie: Es herrscht ein wissenschaftlicher Konsens darüber, welche Risiken dieses Virus birgt und welches die effizientesten Maßnahmen sind diesem Virus entgegenzutreten. Allerdings gibt es auch einige die von diesem Konsens abweichen. Auf der einen Seite gibt es einige die davon sehr stark abweichen. Das sind zum Teil auch Wissenschaftler die aber eine komplett andere Deutung für die Ergebnisse haben. Allerdings ist es bei diesen oft so, dass sie keine Experten auf dem jeweiligen Gebiet sind und eigentlich einer anderen wissenschaftlichen Fachrichtung angehören. Und dabei gilt wie Richard Feynman zu sagen pflegte: "Ein Wissenschaftler der sich mit unwissenschaftlichen Dingen beschäftigt ist genauso unwissend darüber wie jeder andere." Ich glaube man kann diese Aussage auch so erweitern, dass ein Wissenschaftler der sich mit Dingen außerhalb seines Feldes der Expertise beschäftigt ohne sich ausführlich genug damit auseinanderzusetzen ist letztlich genauso unwissend darüber wie jeder andere.
Es gibt allerdings auch unter denen, deren Feld der Expertise die Virologie ist unterschiedliche Auffassungen darüber wie genau mit diesem Virus umzugehen ist. Jedoch gehen diese Ansichten weniger stark auseinander. Nichtsdestotrotz zeigt es, dass es nicht die eine klare Linie gibt, die sich aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen finden lässt, sondern unterschiedliche Deutungen möglich sind. Ein wissenschaftlicher Konsens liefert dann eine Zusammenstellung von Ergebnissen, die unabhängig von den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten der Fakten zutreffend sind. Also der Teil der Vorhersagen über die ein Konsens besteht. Dadurch kann man auch bei vielseitigen Deutungen von wissenschaftlichen Erkenntnissen klare Aussagen und Vorhersagen treffen.
Konsens im Glauben
Nachdem wir soeben gesehen haben wie in der Wissenschaft ein Konsens erreicht wird stellt sich die Frage ob dies im Glauben nicht auch möglich ist. Auf den ersten Blick scheint dem vermutlich nicht so sein. Gerade im Christentum gibt es haufenweise unterschiedlicher Denominationen mit unterschiedlichen Überzeugungen. Neben der katholischen und evangelischen Kirche gibt es auch noch viele freikirchliche Gruppen, in denen es auch viele unterschiedliche Gruppierungen gibt. Ein Katholik hat oftmals eine bedeutend andere Deutung der Aussagen der Bibel als ein Angehöriger einer Pfingstgemeinde.
Wenn man aber genauer hinschaut fällt eines auf: Es existiert hier in vielen Bereichen auch ein Konsens. Beispielsweise herrscht in beinahe allen Denominationen ein Konsens darüber, dass Gott ein dreieiniger Gott aus Vater, Sohn und Heiliger Geist ist. Des Weiteren herrscht Konsens darüber, dass Jesus der Sohn Gottes ist, der durch die Jungfrau Maria auf die Welt gekommen ist, gekreuzigt wurde und wieder auferstanden ist und dadurch die Menschheit von der Gefangenschaft unter die Sünde befreit hat. Vom Katholiken bis zum Freikirchler herrscht hier ein Konsens darüber, dass diese Aussagen unwiderruflich aus der Bibel hervorgehen. Und wer sich genauer mit dem christlichen Glauben beschäftigt wird merken, dass es sich dabei um die entscheidenden Fragen des christlichen Glaubens dreht. In Randthemen, wie der genauen Auslegung der Eschatologie oder der genauen Deutung der Schöpfungsgeschichte mag es unterschiedliche Deutungen zwischen den Denominationen geben aber in den entscheidenden Themen herrscht ein Konsens. Natürlich gibt es aber auch christliche Gruppen die von diesem Konsens auch in den entscheidenden Glaubensfragen abweichen, genauso wie es Wissenschaftler gibt, die vom wissenschaftlichen Konsens abweichen.
Doch wo kommt dieser Konsens im Bereich des Glaubens her?
Dort ist es zwar auch so, dass in der ein oder anderen Glaubensfrage die Vertreter der Gläubigen zusammenkamen um einen Konsens zu erreichen, wie das zum Beispiel beim Apostelkonzil in der Apostelgeschichte der Fall war. Jedoch ist es auch bei diesem Konzil so gewesen, dass der Konsens nicht aus langen Diskussionen, sondern aus dem was die Bibel die Führung des Heiligen Geistes nennt entstanden ist. Nachdem Jesus nach seiner Auferstehung in den Himmel aufgefahren ist, versprach er seinen Jüngern, dass er den Heiligen Geist an seiner statt entsenden würde. Dieser dritte Teil der Gottheit wurde an Pfingsten über die Urgemeinde ausgegossen und bewirkte, dass zuvor ängstliche, ungebildete Fischer in Kühnheit und wortgewandt das Evangelium verkündeten und Tausende zum Glauben an Jesus Christus führten.
Wie der Apostel Paulus später in 2. Korinther 3,6 schreibt: "Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig."
Er liefert damit also die Art und Weise in der man zur korrekten Interpretation des Wortes Gottes gelangen kann: Durch den Heiligen Geist. Da er selbst Gott ist kann er uns sein Wort aufschließen und uns verständlich machen. Dadurch können wir die richtige Interpretation und Deutung des Wortes bekommen, die dann auch stets im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen sein wird.
Man mag jetzt einwerfen, dass es ja gut sein kann, dass man sich nur irgendetwas ausmalt. Oder dass man die eigens gewünschte Deutung der Bibel als das Sprechen des Heiligen Geistes auffasst. Jedoch ist es hier bereits so, dass das Wechselspiel aus Geist und Wort bereits sehr viel Stabilität schafft. Denn das was der Geist sagt muss ja stets durch das Wort bestätigt werden. Dadurch kann man prüfen ob man wirklich die Stimme des Geistes oder seine eigene Stimme gehört hat. Des Weiteren ist es ja so, dass es zwar sein kann, dass eine Person den Heiligen Geist falsch hört, aber das alle Christen den Heiligen Geist auf die exakt selbe Art falsch hören ist sehr unwahrscheinlich. Wenn alle Christen den Geist falsch hören würden, dann würden aber in etwa so viele unterschiedliche Stimmen zu vernehmen sein wie es Christen gibt. Und hier kommt der Konsens ins Spiel: Dadurch, dass sich Christen vom Heiligen Geist in ihrer Auslegung des Wortes führen lassen und zu Ergebnissen kommen bezüglich derer über Denominationsgrenzen hinweg ein Konsens herrscht wird sichergestellt, dass es sich tatsächlich um das Sprechen des Heiligen Geistes und keine Illusionen gehandelt hat.
Der ein oder andere Nicht-Gläubige mag dies für zu wenig halten und auch die beachtliche Tatsache, dass unter den Christen ein derartiger Konsens herrscht scheint hier noch nicht zu überzeugen. Schließlich kann es ja noch immer eine permanentes erneutes Deuten der Bibel sein die von einem als Sprechen des Heiligen Geistes wahrgenommenen Bauchgefühl gerechtfertigt wird. Allerdings sollte diese vom Geist eingegebene korrekte Deutung des Wortes Gottes ja auch die zutreffende sein. Es sollten sich also aus den Aussagen über die im christlichen Glauben ein Konsens herrscht Aussagen herleiten lassen, die sich dann möglicherweise auch wissenschaftlich überprüfen lassen. Daran könnte der Glaube dann auch im wissenschaftlichen bestätigt werden.
Des Weiteren lassen sich aus diesen Aussagen Prinzipien und Konstrukte herleiten, die sich möglicherweise auf die natürliche Welt anwenden lassen und zur Beschreibung dieser genutzt werden können. Dies geht nach dem Prinzip, dass die Schöpfung stets den Schöpfer widerspiegelt. Geht man dem also nach kann man zu neuen wissenschaftlichen Theorien kommen, die sich dann in Experimenten bestätigen lassen und den Glauben somit weiter untermauern können. Dies zu tun ist Teil der Vision von Sci-Faith.
Wir haben also gesehen, dass es genauso wie es im wissenschaftlichen einen Konsens zu den experimentellen Funden gibt, es im Glauben einen Konsens über die korrekte Deutung der entscheidenden Glaubensfragen gibt. Dieser wird anders als in der Wissenschaft mithilfe der Führung des Heiligen Geistes erreicht. Aus diesem Konsens gelangt man zu einer Deutung des Wortes Gottes, die nicht beliebig ist und klare Vorhersagen macht. Diese können möglicherweise sogar auf wissenschaftliche Vorhersagen ausgeweitet werden und in Experimenten überprüft werden. In der Tat ist es meine Überzeugung und die vieler anderer, dass die moderne Wissenschaft dadurch erst ins Rollen gekommen ist und Prinzipien die aus einer vom Geist inspirierten Deutung des Wortes Gottes gewonnen wurden, auf die natürliche Welt angewandt wurden. Oder wie C.S. Lewis es ausdrückte:
"Der Mensch wurde wissenschaftlich, weil er eine Gesetzmäßigkeit in der Natur erwartete und er erwartete eine solche Gesetzmäßigkeit, weil er an einen Gesetzgeber glaubte." - C.S. Lewis
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