Fakten - Der Weg zur Wahrheit?
Gerade in Unterhaltungen über Wissenschaft und Glaube wird man oft mit einer Aussage konfrontiert, die in etwa so lautet: "Für mich zählen nur die Fakten."
Damit möchte man sich oft vom Gegenüber abheben indem man betont, dass man selbst nur auf die Fakten schaut, die als einzige Wahrheit angenommen werden und der Rest nur wilde Spekulationen sind.
Doch ist das tatsächlich so? Können Fakten den Weg zur Wahrheit weisen und wenn ja ist das der einzig mögliche Weg?
Um diese Frage zu klären müssen wir uns zunächst einmal anschauen was Fakten genau sind und welche Aussagekraft sie tatsächlich haben.
Was sind Fakten?
Der Begriff des Fakts oder Faktums ist gleichbedeutend mit dem der Tatsache. Eine Tatsache gilt als etwas, das nachweislich wahr und zutreffend ist. So wie das klingt sollte es doch ohne weiteres möglich sein, aus solchen Fakten die Wahrheit zu gewinnen. Es gibt hier jedoch einige Probleme: Ein Fakt wird dadurch gewonnen, dass man eine bestimmte Aussage mithilfe von Experimenten oder Ähnlichem nachweist. Dies schränkt aber den Bereich zu denen es Fakten gibt ein. Denn es ist keineswegs gesagt, dass jede mögliche Aussage zu jedem Thema auch auf experimentelle Weise überprüft werden kann. Die Aussage, dass jede Aussage experimentell überprüft werden kann, kann nämlich selbst nicht experimentell überprüft werden und somit widerspricht eine solche Annahme sich selbst. Es ist also zu erwarten, dass es Sachverhalte gibt, die nicht das Kriterium eines Faktums erfüllen können aber dennoch wahr sind.
Doch selbst wenn wir davon ausgehen, dass jede Aussage überprüfbar ist, führt der Versuch durch Fakten zur Wahrheit zu gelangen in Probleme: Zunächst ist es schwierig festzulegen wann eine Aussage als bestätigt gilt. Denn möchte ich eine Aussage überprüfen kann ich ja nicht in den Raum fragen ob es tatsächlich so ist und erhalte aus dem Nichts eine Antwort. Nein, ich muss es mithilfe von Experimenten überprüfen. Ich muss aus meiner Aussage etwas herleiten, dass in bestimmten Situationen passieren müsste, wenn meine Aussage zutrifft. Wenn ich z.B. davon ausgehe, dass die Erde eine Kugel ist, wäre eine Vorhersage, dass wenn ich immer nach Osten gehe ich irgendwann von Westen her wieder an meinen Ursprungsort komme. Dies hat Magellan auf seiner Reise um die Welt getan und somit die Vorhersage dieser Aussage bestätigt. Allerdings reicht dies noch nicht aus um die Kugelförmigkeit der Erde endgültig zu bestätigen. Denn es muss ja keine Kugel sein, eine elliptoidische oder andere Form könnte diese Voraussetzungen auch erfüllen. Auch exotische Deutungen, wie, dass wie in dem Handy Spiel "Snake" man wenn man am Ende der einen Seite angekommen ist, man einfach an den Anfang der anderen Seite teleportiert wird können diese Messung deuten.
Natürlich gibt es im Fall der Erde haufenweise weitere Erkenntnisse die, die Kugelförmigkeit der Erde äußerst plausibel machen und insbesondere Weltraumaufnahmen der Erde lassen jeglichen vernünftigen Zweifel an dieser Tatsache verschwindend gering werden. Dennoch ist es so, dass kein Fakt je als 100% sicher gelten kann und jede Erkenntnis mit einer Unsicherheit behaftet ist. Daher ist auch jede Größe der Wissenschaft mit einer solchen Unsicherheit behaftet. Schließlich ist jedes Experiment unvollkommen und statistischen und systematischen Fehlern unterworfen. Doch innerhalb dieser Fehlergrenzen kann man die Erkenntnisse als Fakten betrachten.
Fakten sind also nicht 100% sicher aber innerhalb einer gewissen Fehlertoleranz schon. Jedoch ist man in der Suche nach Wahrheit nicht an einzelnen korrekten Aussagen interessiert, sondern an einer Antwort auf die großen Fragen, z.B. danach wie unser Universum in Existenz gekommen ist.
Um diese Frage zu beantworten, wenn dies überhaupt auf allein faktischer Ebene möglich ist, braucht es eine Vielzahl von Fakten die entsprechend gedeutet werden müssen. Das bedeutet man muss diese ganze Menge an Fakten auf einzelne Gesetzmäßigkeiten zurückführen und aus diesen dann die Welt beschreiben. Und da ist schon das zuvor schon angedeutete Problem: Wir haben es nicht nur mit Fakten zu tun, sondern auch mit einer Deutung dieser Fakten. Diese Deutung kann vernünftig, wohl überlegt und auch im Einklang mit allen vorhandenen Fakten sein, aber dennoch bleibt sie genau das: eine Deutung oder wie man es in der Wissenschaft nennt: eine Theorie.
In meinem Buch und auch in einer Leseprobe dazu auf diesem Blog vergleiche ich Theorien mit Kinder-Punkt Rätseln. Die Punkte sind in diesem Fall die Fakten und die korrekte Verbindung dieser Punkte zu einem Bild ist die wissenschaftliche Theorie. Da in der Wissenschaft nicht alle Punkte bekannt sind und genauso wenig die Reihenfolge in der die Punkte zu verbinden sind, ermöglicht dies Mehrdeutigkeiten. Doch wie kommen diese unterschiedlichen Deutungen zustande?
Unterschiedliche Deutungen der Fakten
Ich glaube die Deutung der Fakten wird maßgeblich durch das Weltbild des Deuters beeinflusst. Dies wird finde ich vor allem im Bereich der Politik deutlich: Dem ein oder anderen wird vermutlich schon mal aufgefallen sein, dass es im politischen Diskurs manchmal dazu kommt, dass dieselben Fakten von den unterschiedlichen Lagern komplett anders gedeutet werden. Beide Seiten berufen sich dabei auf die Fakten und beziehen sich zum Teil auf die exakt gleiche Quelle.
Wie kann das sein?
Die Deutung der Fakten wird nun mal auch maßgeblich von dem eigenen Weltbild beeinflusst. Je heikler die Thematik, desto größer der Einfluss des Weltbildes auf die Deutung der jeweiligen Fakten. Deshalb ist dieser Effekt im Bereich der Politik auch mit am Stärksten bemerkbar. Doch auch in den Naturwissenschaften, insbesondere wenn sie sich mit dem Ursprung der Welt und ähnlichen Themen beschäftigen spielt die Weltanschauung eine entscheidende Rolle bei der Deutung der Fakten.
Es wird also deutlich, dass eine Aussage wie die obige, dass man nur auf die Fakten schaut nicht zutreffend sein kann. Um tatsächliche Aussagen zu machen muss man die Fakten stets deuten und eine Deutung der Fakten ist immer durch das jeweilige Weltbild geprägt.
Ist das ein Problem?
Nicht notwendigerweise. Richard Feynman, ein amerikanischer Physiker, sagte, dass eine gewisse Voreingenommenheit (engl. bias) nicht schädlich ist, da sie nicht sonderlich stabil ist: Wenn Experimente wieder und wieder der Voreingenommenheit widersprechen wird man davon mit der Zeit so genervt sein, dass man diese Voreingenommenheit ablegt
Dies ist vor allem dann der Fall wenn das Weltbild von einer bestimmten Ideologie vorgegeben ist. Zum Beispiel war es in der Zeit des Nationalsozialismus so, dass in Deutschland die Erkenntnisse der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie abgelehnt und anders gedeutet wurden. Diese Bemühungen liefen unter dem Titel "Deutsche Physik". Dabei war es weniger so, dass die physikalischen Erkenntnisse dieser Theorien mit dem Weltbild der Nazis nicht im Einklang waren, sondern viel mehr die Aufsteller dieser Theorien, die zum großen Teil jüdischer Herkunft waren.
Die antisemitischen Ansichten der Nationalsozialisten widersprachen dem Faktum, dass es viele geniale jüdische Wissenschaftler gab und daher konnten deren Erkenntnisse von den Nationalsozialisten nicht anerkannt werden.
Schadet der Glaube der Wissenschaft?
Es ist also so, dass eine Ideologie meist schädlich für die Wissenschaft ist, weil sie Dogmen errichtet, also Aussagen die als unwiderruflich wahr angenommen werden. Dadurch kommt man ab dem Moment wenn eine Erkenntnis den Aussagen dieser Ideologie widerspricht in Probleme. Entweder man legt die Ideologie ab oder man ignoriert und unterdrückt diese neuen Fakten. Wenn die Ideologen, diejenigen sind, die an der Macht sind, passiert in der Regel letzteres.
Gilt dasselbe nicht auch für den Glauben?
Wenn der Glaube wie eine Ideologie behandelt wird schon. Und das ist im Mittelalter auch passiert. Die Kirche war an der Macht und gab in Dogmen vor, was sie für die Wahrheit hielten, was mal mehr mal weniger an den Aussagen der Bibel orientiert war. Als durch Kopernikus, Galileo, Kepler und Newtons Erkenntnisse deutlich wurde, dass die Aussage der Kirche, dass die Erde im Zentrum des Sonnensystems ist nicht haltbar ist, kam es zum Konflikt. Doch es ist interessant zu bemerken, dass keiner dieser Wissenschaftler seinen Gottesglauben in diesem Konflikt verlor, nicht einmal Galileo. Man mag sagen, dass sie aufgrund der Vorherrschaft der Kirche keine andere Wahl hatten, aber wenn man genauer betrachtet wie intensiv sich einige von ihnen mit ihrem Glauben befassten kann dies unmöglich durch aufgesetzte Frömmigkeit erklärt werden.
Und darin findet sich auch die Lösung dieses Problems: Während die Kirche den Glauben wie eine Ideologie behandelte und aus ihm menschlich interpretierte Aussagen herleitete die erfüllt sein mussten, was früher oder später unweigerlich dazu führen musste, dass die Kirche sich gegen die Wissenschaft richtete, konnten Galileo und seinesgleichen ohne ihren Glauben an Gott zu verlieren Wissenschaft betreiben und neue Erkenntnisse gewinnen.
Wie das?
Galileo betonte stets, dass da Gottes Wort die Wahrheit ist keine wissenschaftliche Erkenntnis dem widersprechen konnte. Jedoch folgerte er daraus, dass nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse die dem Wort Gottes zu widersprechen schienen angepasst werden müssen, sondern, dass es eine Deutung für diese Erkenntnisse geben musste, die mit einer korrekten Deutung der biblischen Aussagen konform ist. Eine korrekte Interpretation der wissenschaftlichen Erkenntnisse würde so laut ihm also stets auch im Einklang mit dem Wort Gottes stehen. Dies erlaubte ihm frei in seinem wissenschaftlichen Bestreben zu forschen ohne Angst zu haben seine Entdeckungen könnten seinen Glauben widerlegen.
Galileos Glaube war nämlich stärker als der vieler damaliger Kleriker. Ihr Glauben hing an den Erkenntnissen der Wissenschaft, Galileos Glaube war unabhängig davon. Diese Unabhängigkeit des Glaubens von neuen Erkenntnissen der Wissenschaft erlaubt es auch mit einem starken Glauben frei Wissenschaft betreiben zu können. Ein solcher Glaube kann also gar nicht schädlich für die Wissenschaft sein und viele der Vertreter der modernen Wissenschaft sind das beste Beispiel dafür.
Doch wie kann der Glaube unabhängig von wissenschaftlichen Erkenntnissen sein?
Der Glaube beschäftigt sich mit Sachverhalten, die über das Natürliche hinaus gehen und somit auch über das was wissenschaftlich beschreibbar ist. Insofern ist es auch unmöglich einen Glauben auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufzubauen. Und wenn man davon ausgeht, dass es tatsächlich einen Bereich außerhalb der Wissenschaft der nicht von Fakten erschlossen werden kann gibt, dann muss dieser Bereich ja auch eine gewisse Unabhängigkeit von den wissenschaftlichen Erkenntnissen innehaben.
Wie kann man dann zu einen stabilen Glauben kommen, der unabhängig von den wissenschaftlichen Erkenntnissen ist und trotzdem keine Illusion ist?
Wenn es diesen Bereich jenseits des wissenschaftlich Erkennbaren gibt und dieser für uns relevant ist, dann muss es ja irgendeinen Weg geben uns diesen zugänglich zu machen. Wir Christen glauben, dass das geht und zwar durch unseren Geist. Gemäß der Bibel ist der Mensch eine Lebensform aus Körper, Seele und Geist. Neben unserem menschlichen Körper haben wir also eine Seele, die sich aus unserem Verstand, unserem Willen und unseren Gefühlen ergibt. Darüber hinaus besitzen wir noch unseren Geist, der unser wahres Ich darstellt und in der Lage ist mit diesem Bereich, der nicht im Sichtbaren (d.h. im nicht wissenschaftlich Zugänglichen) ist in Kontakt treten können. Wenn wir uns in diesem danach ausstrecken Gott zu begegnen wird dies passieren und wir werden Zeugnis von Ihm bekommen. Dieses bestätigt uns Seine Existenz und bildet das Fundament für unseren Glauben. Dieses Fundament ist stärker als alle wissenschaftlichen Fakten und führt uns zur einzigen Wahrheit die in Christus Jesus ist.
Daher möchte ich jeden ermutigen sich danach auszustrecken Gott zu begegnen und Zeugnis von Ihm zu bekommen. Dies bewirkt einen starken Glauben der durch nichts zu erschüttern ist und führt uns in alle Wahrheit. Aber selbst wenn man diesen letzten Teil mit dem Zeugnis von Jesus als Weg zur Wahrheit (noch) nicht glaubt, denke ich sollte klar geworden sein, dass die Fakten nicht den Weg zur Wahrheit weisen können und lediglich dazu taugen die Welt um uns zu beschreiben.
Des Weiteren zeigt sich, dass ein Glaube, per Definition nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen kann, da er sich mit nicht-wissenschaftlichen aber trotzdem keineswegs weniger realen Sachverhalten beschäftigt. Diese Unabhängigkeit des Glaubens von der Wissenschaft ist jedoch durchaus positiv, da so die Wissenschaft frei betrieben werden kann ohne durch dogmatisierende Voreingenommenheiten behindert zu werden, wie sich dies bei den ersten Wissenschaftlern auch zeigte.
Ich glaube sogar, dass der Glaube der Wissenschaft nicht nur nicht schadet, sondern sie sogar fördert. Das zeigt sich gerade auch daran, dass viele der Wissenschaftler der modernen Wissenschaft tiefgläubig waren. Als Auslöser der wissenschaftlichen Revolution gilt vor allem die Formulierung einer klaren wissenschaftlichen Methodik, die mit ihrer Rücksicht auf die Fehlbarkeit des Menschen, wie ich finde, seinen Ursprung im Gottesglauben hat. Daher bin ich überzeugt, dass wenn die Wissenschaft auf einem Fundament des Glaubens betrieben wird ganz neue Erkenntnisse zutage gefördert werden können, die ohne ein solches Fundament nicht möglich gewesen wären.
Hier kannst Du Dir auch die Podcastfolge zu diesem Beitrag anhören.
Richard Feynman, Vom Wesen physikalischer Gesetze, Piper Taschenbuch, Februar 2012.